Das Bundesarbeitsgericht hatte mit Urteil vom 16.10.2013 (10 AZR 9/13) zu entschieden, ob auch ein leitender Oberarzt angewiesen werden kann, Bereitschaftsdienst auszuüben.

Der Fall:

Seit 1994 war der der Kläger als Oberarzt und Vertreter des Chefarztes in der Neurologischen Abteilung in einem Klinikum beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand der Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TV-Ärzte/VKA) vom 17. August 2006, zuletzt idF des ÄndTV Nr. 3 vom 18. Januar 2012, Anwendung. Seit 2001 war der Kläger Teilzeitbeschäftigter mit 95,22 % der regelmäßigen Arbeitszeit; er erhält eine Vergütung nach Entgeltgruppe IV.
Im Jahr 2008 kam es dann zum Streit zwischen Oberarzt und Klinikum. Der Chefarzt hatte verschiedene Rufbereitschaftsdienste für Dezember 2008 angeordnet. Nachdem der Oberarzt seine Wohnung in Frankfurt am Main als Aufenthaltsort angegeben hatte (länger als 45min von Klinikum entfernt), ordnete das Klinikum für den Oberarzt anstelle der Rufbereitschaft an mehreren Tagen Bereitschaftsdienst (sog. Vordergrunddienst) in unterschiedlicher Länge an. Der Klinikum kündigte an, für diese Zeiten teilweise Freizeitausgleich an bestimmten Tagen zu gewähren. Eine Belastungsanalyse nach § 10 Abs. 2 und Abs. 3 TV-Ärzte/VKA wurde nicht durchgeführt.

An verschiedenen Tagen im Dezember 2008 leistete der Oberarzt Bereitschaftsdienst, ohne dass zugleich ein anderer Arzt in der Neurologie Bereitschaftsdienst hatte. Während der Bereitschaftsdienste fielen – soweit Arbeitsleistung zu erbringen ist – zu etwa 80 % assistenzärztliche Aufgaben und maximal zu etwa 20 % spezifisch fachärztliche Aufgaben an.

Der Oberarzt hat u.a. die Auffassung vertreten, die Zuweisung solcher Bereitschaftsdienste widerspreche seinem arbeitsvertraglichen Anspruch auf Beschäftigung als Oberarzt. Er sei nicht verpflichtet, während bestimmter Dienste weit überwiegend Assistenzarzttätigkeiten ohne jede oberärztliche Supervision zu verrichten. Er habe einen Anspruch, dass dies durch die zeitgleiche Anordnung von Bereitschaft gegenüber einem Assistenzarzt vermieden werde. Andere Oberärzte würden üblicherweise nur zu Hintergrunddiensten herangezogen; es seien immer mindestens zwei Ärzte zum Dienst eingeteilt.

Für Dezember 2008 habe er einen weiteren Vergütungsanspruch, da das Klinikum die Bereitschaftsdienste nicht arbeits- und tarifvertragskonform angeordnet habe.

Die Entscheidung:

Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass eine zulässige Ausübung des Direktionsrechts vorliege, wenn ein leitender Oberarzt bei ansonsten vertragsgemäßer Beschäftigung während der Bereitschaftsdienste in erheblichem Umfang auch typische assistenzärztliche Tätigkeiten ausführen muss (Vordergrunddienst), solange das Gepräge seiner Tätigkeit sich dadurch nicht ändert

Gesetzliche Bestimmungen, insbesondere die Normen des Arbeitszeitgesetzes, verlangen nicht, dass generell Bereitschaftsdienst gegenüber einem Oberarzt nur angeordnet wird, wenn gleichzeitig ein untergeordneter Arzt Dienst hat und die ärztliche Grundversorgung wahrnimmt.

Nach § 7 Abs. 6, § 10 Abs. 1 TV-Ärzte/VKA seien Ärztinnen und Ärzte im Rahmen begründeter betrieblicher/dienstlicher Notwendigkeiten zur Leistung von Bereitschaftsdienst verpflichtet. Die tarifliche Regelung unterscheide nicht zwischen Ärzten verschiedener Vergütungsgruppen (§ 16 TV-Ärzte/VKA); auch leitende Oberärzte der Entgeltgruppe IV seien Ärzte, die den allgemeinen tariflichen Vorschriften – positiv wie negativ – unterliegen. Die Ableistung des Bereitschaftsdienstes gehöre zum ärztlichen Berufsbild.

Grundsätzlich habe ein Arbeitnehmer zwar einen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung; eine Zuweisung geringerwertiger Tätigkeiten sei selbst dann unzulässig, wenn die bisherige Vergütung fortgezahlt werde. Ein Arbeitgeber dürfe dem Arbeitnehmer jedoch in gewissen eng umgrenzten Fällen, etwa in Not- oder Ausnahmesituationen, auch ohne dessen Einverständnis eine vertraglich nicht geschuldete, geringerwertige Tätigkeit zuweisen. Hier verliere die Tätigkeit durch einen ausschließlich von einem Oberarzt durchgeführten Bereitschaftsdienst jedoch nicht ihren prägenden Charakter.

Praxishinweis:

Das Arbeitsrecht für Ärzte weist zahlreiche Besonderheiten auf. Die wirtschaftlich schwierige Situation vieler Krankenhausträger führt regelmäßig zu Konfliktsituationen, die nicht selten zu erheblichen Nachteilen der angestellten Ärzte führen. Hier sollte der Arzt seinem Arbeitgeber mit Bestimmtheit entgegentreten und für die Einhaltung seiner Rechte sorgen. Das vorliegende Urteil zeigt jedoch, dass hierbei Vorsicht geboten ist. Nicht jede vermeintliche Weisung ist rechtswidrig. Feinheiten können hierbei ausschlaggebend sein. So wäre bspw. der vorliegende Fall anders zu entscheiden gewesen, wenn gegenüber dem Oberarzt allgemein die Teilnahme am Bereitschafts- und Stationsdienst der Assistenzärzte angeordnet worden wäre (vgl. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.12.1991 – 6 AZR 476/89).