Die Corona-Pandemie führt zu immer mehr betriebsbedingten Kündigungen. In vielen Fällen befinden sich die betroffenen Arbeitnehmer seit geraumer Zeit in Kurzarbeit. Wir erklären, was bei Kündigungen und Aufhebungsverträgen in Kurzarbeit zu beachten ist.
1. Dürfen Arbeitgeber während Kurzarbeit kündigen?
2. Erhalten Arbeitnehmer nach der Kündigung weiter Kurzarbeitergeld?
3. Ist das Arbeitslosengeld wegen der Kurzarbeit verringert?
4. Kann während der Kurzarbeit ein Aufhebungsvertrag abgeschlossen werden?
5. Kann Kurzarbeit per Änderungskündigung eingeführt werden?
6. Fazit
1. Dürfen Arbeitgeber während Kurzarbeit kündigen?
Ja. Während der Kurzarbeit gilt kein gesteigerter Kündigungsschutz in dem Sinne, dass betriebsbedingte Kündigungen nicht möglich sind. Allerdings gibt es auch Besonderheiten, die man als Arbeitgeber beachten sollte. Will ein Arbeitgeber aus betrieblichen Gründen kündigen, muss er
• den dauerhaften Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit beweisen,
• eine (grundsätzlich fehleranfällige) Sozialauswahl durchführen,
• vergleichbare offene Stellen anbieten,
• einen etwaigen Betriebsrat zur Kündigung anhören,
• den Sonderkündigungsschutz von Betriebsräten, Schwangeren, Arbeitnehmern in Elternzeit sowie Schwerbehinderten etc. beachten
• und vieles mehr.
Gerade die erste Voraussetzung bereitet Arbeitgebern in Zeiten der Kurzarbeit Schwierigkeiten. Da sie mit ihrem Betrieb in Kurzarbeit gewechselt sind, haben sie in aller Regel kürzlich Kurzarbeitergeld bei der Bundesagentur für Arbeit beantragt. Um diese Leistung zu erhalten, müssen Arbeitgeber darlegen, dass der Arbeitsausfall (also der Grund für die Kurzarbeit) nur von vorübergehender Dauer ist. Das Kurzarbeitergeld soll nämlich nur eine kurzfristige Hilfe sein. Wie oben erwähnt, ist eine betriebsbedingte Kündigung aber nur bei dauerhaftem Entfall der Beschäftigungsmöglichkeit zulässig. Hier zeigt sich ein Widerspruch. Dieser löst sich nur auf, wenn sich seit dem Antrag auf Kurzarbeitergeld die Umstände geändert haben. Dies muss der Arbeitgeber beweisen können. Hier hat man als Arbeitnehmer oftmals die Argumente auf seiner Seite, so dass die Kündigung schon daran scheitert, wenn sie nicht wirklich gut vorbereitet ist.
Beispiel: Der Arbeitgeber hat sich nach dem Antrag auf Kurzarbeitergeld entschlossen, seinen Betrieb dauerhaft zu verkleinern und baut daher Stellen ab.
Für die Voraussetzungen aller anderen Kündigungen (verhaltensbedingt/krankheitsbedingt/etc.) gelten keine Besonderheiten.
2. Erhalten Arbeitgeber nach der Kündigung weiter Kurzarbeitergeld?
Nein. Sobald die Kündigung ausgesprochen ist, endet der Bezug von Kurzarbeitergeld. Der Arbeitgeber erhält also keine Erstattungen mehr durch die Arbeitsagentur.
In diesen Fällen drängt sich die Frage auf, in welcher Höhe der Arbeitnehmer nun Gehalt bezieht. Schließlich endet das Arbeitsverhältnis nicht gleich nach Ausspruch der Kündigung. In aller Regel läuft noch die Kündigungsfrist aus, die oft mehrere Monate beträgt.
So praxisrelevant diese Frage auch ist – sie lässt sich zurzeit nicht eindeutig beantworten. Sicher ist zumindest, dass der Arbeitgeber weiter das Gehalt zahlen muss, dass ihm trotz Kurzarbeit noch zusteht und für das er noch arbeitet.
Beispiel: Der Arbeitnehmer arbeitet während der Kurzarbeit noch zu 50%. Dementsprechend erhält er auch während der Kündigungsfrist mindestens 50% seines Gehalts.
Hinsichtlich des entfallenen Kurzarbeitergeldes kommen folgende Möglichkeiten in Betracht:
• Der Arbeitgeber zahlt unverändert auch den Teil des Gehalts weiter, den er zuvor noch als Kurzarbeitergeld von der Arbeitsagentur erstattet erhalten hat. Für den Arbeitnehmer würde sich insofern während der Kündigungsfrist nichts ändern.
• Die Kurzarbeit endet. Der Arbeitgeber muss also wieder den vollen Lohn zahlen wie vor der Krise.
• Der Arbeitgeber muss nur das Gehalt zahlen, dass er für die geleistete Arbeit schuldet (im obigen Beispiel also 50%). Der Betrag, der zuvor als Kurzarbeitergeld erstattet wurde, entfällt vollständig. Bei „Kurzarbeit Null“ erhält der Arbeitnehmer danach also gar keine Zahlungen mehr vom Arbeitgeber.
Vieles spricht für die erstgenannte Möglichkeit und gegen die letzte. Gesichert ist dies aber noch nicht.
Arbeitnehmer und Arbeitgeber können dieser Rechtsunsicherheit entgehen, indem sie statt der Kündigung einen Aufhebungsvertrag abschließen oder sich nach der bereits ausgesprochenen Kündigung auf einen Abwicklungsvertrag einigen. Darin wird dann eine konkrete Lohnhöhe vereinbart. Für Arbeitnehmer ist dieses Vorgehen aber riskant (s.u.)!
3. Ist das Arbeitslosengeld wegen der Kurzarbeit verringert?
Die Höhe des Arbeitslosengeldes I (ALG I) hängt davon ab, welches Nettogehalt der Arbeitnehmer in den letzten 12 Monaten bezogen hat. Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, dass die Kurzarbeit die Höhe des ALG I verringert. Denn selbst mit Kurzarbeitergeld fällt das Lohnniveau in dieser Zeit niedriger aus als sonst.
Allerdings bleiben die Effekte der Kurzarbeiter außer Betracht. Das Arbeitslosengeld wird so bemessen, als wäre der Arbeitnehmer nie in Kurzarbeit gewechselt.
Unsicherer ist die Rechtslage aber, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich auf eine bestimmte Lohnhöhe nach Ausspruch der Kündigung einigen (zur Umgehung der derzeitigen Rechtsunsicherheit, s.o.). Es ist nicht auszuschließen, dass der auf diesem Wege verringerte Lohn von der Arbeitsagentur berücksichtigt wird, um die Höhe des ALG I zu bestimmen. Das ALG I würde dann etwas geringer ausfallen.
4. Kann während der Kurzarbeit ein Aufhebungsvertrag abgeschlossen werden?
Ja. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können selbstverständlich auch in Zeiten von Kurzarbeit einen Aufhebungsvertrag abschließen. Damit beenden sie das Arbeitsverhältnis einvernehmlich. Eine Kündigung ist dann nicht mehr erforderlich.
Für Arbeitnehmer birgt ein Aufhebungsvertrag während Kurzarbeit allerdings einige Risiken:
• Die Arbeitsagentur verhängt evtl. eine Sperrzeit für das Arbeitslosengeld. Arbeitnehmer erhalten die Leistung dann grundsätzlich erst 12 Wochen später. Insgesamt verkürzt sich die Bezugsdauer um mind. 12 Wochen oder ein Viertel der maximalen Leistungsdauer. Eine Sperrzeit wird allerdings nicht verhängt, wenn ein wichtiger Grund für die Aufgabe des Arbeitsplatzes bestand. Dieser kann etwa darin liegen, dass der Arbeitgeber ohnehin wirksam gekündigt hätte.
• Erhalten Arbeitnehmer eine Abfindung und beenden das Arbeitsverhältnis noch vor Ablauf der Kündigungsfrist, wird die Abfindung grundsätzlich auf das Arbeitslosengeld angerechnet. Auch in diesen Fällen wird die Leistung erst mit Verzug ausgezahlt. Allerdings verringert sich, anders als bei der Sperrzeit, nicht die maximale Bezugsdauer.
• Sobald der Arbeitsvertrag unterschrieben ist, wird kein Kurzarbeitergeld mehr bezahlt. Es entstehen dann dieselben Probleme wie nach einer Kündigung (s.o.).
• Möglich ist allerdings, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber sich für die verbleibende Zeit auf eine bestimmte Lohnhöhe einigen. Dann herrscht Rechtssicherheit. Arbeitnehmer sollten aber vorsichtig sein: Viele solcher Verträge enthalten sog. Abgeltungsklauseln. Stellt sich in einigen Monaten durch Gerichtsentscheidungen heraus, dass dem Arbeitnehmer per Gesetz mehr zugestanden hätte, als in der Vereinbarung vorgesehen, kann dieses Geld dann nicht mehr nachverlangt werden.
Arbeitnehmer und Arbeitgeber sollten daher Aufhebungsverträge nur nach Rat eines Fachanwalts für Arbeitsrecht unterschreiben. Dasselbe gilt für Abwicklungsverträge nach einer Kündigung, die zu ähnlichen Risiken für Arbeitnehmer führen.
5. Kann Kurzarbeit per Änderungskündigung eingeführt werden?
Ja, unter Umständen ist dies möglich. Der Arbeitgeber kann also einen neuen Arbeitsvertrag vorlegen, der Kurzarbeit vorsieht; für den Fall, dass der Arbeitnehmer nicht unterschreibt, droht die Kündigung.
Vielfach sind Arbeitgeber sogar auf dieses Vorgehen angewiesen. Kurzarbeit (also die Reduzierung der vereinbarten Arbeitszeit) lässt sich nämlich grundsätzlich nicht einseitig durch eine Weisung des Arbeitgebers einführen. Erforderlich ist eine Vertragsgrundlage. Diese kann etwa in Form eines Tarifvertrags oder einer Betriebsvereinbarung bestehen. Fehlt es daran, kommt nur noch eine Einigung mit dem Arbeitnehmer oder die Änderungskündigung in Betracht.
Erforderlich ist allerdings, dass kein milderes Mittel als die Kurzarbeit in Betracht kommt. Vielfach wird dafür ein Sanierungsplan verlangt, der sich mit den denkbaren Alternativen auseinandersetzt. Außerdem darf die Änderung des Arbeitsvertrages nur so weit gehen, wie unbedingt nötig. Daher wird in aller Regel der Wechsel in die Kurzarbeit befristet werden müssen.
Das Arbeitsgericht Stuttgart ist der Auffassung, dass sogar eine fristlose Änderungskündigung zur Einführung von Kurzarbeit möglich ist. In welchen Fällen dies möglich ist, bleibt aber eine Frage des Einzelfalls.
6. Fazit
• Während der Kurzarbeit gilt der gewöhnliche Kündigungsschutz. Eine Kündigung ist daher nicht ausgeschlossen.
• Für eine betriebsbedingte Kündigung muss der Arbeitgeber allerdings darlegen, dass sich die Umstände seit dem Antrag auf Kurzarbeitergeld geändert haben.
• Nach Ausspruch der Kündigung wird kein Kurzarbeitergeld mehr gezahlt. Zurzeit herrscht daher noch Rechtsunsicherheit, in welcher Höhe der Arbeitnehmer während der Kündigungsfrist weiterzubezahlen ist.
• Das Arbeitslosengeld ist infolge der Kurzarbeit grundsätzlich nicht verringert.
• Arbeitgeber und Arbeitnehmer können auch einen Aufhebungsvertrag abschließen. In jedem Fall sollte aber ein Fachanwalt für Arbeitsrecht hinzugezogen werden.
• Kurzarbeit kann grundsätzlich per Änderungskündigung eingeführt werden. Es kommt allerdings stark auf die Umstände im Einzelfall an.